Rückwirkend zum 1. August 2021 können Eltern für ihre Kinder, sofern sie keinen Kindergartenplatz bekommen haben, eine Entschädigung von der Gemeinde beantragen.
Dieses Modell ist ein Novum in der Kommunalpolitik und lädt zum Nachmachen ein.
Dem vorausgegangen war ein Zustand, der viele Eltern in Mühltal an ihre Belastungsgrenzen brachte: Denn zum wiederholten Male sind zahlreiche Kinder in der Planung der Kitaplätze nicht berücksichtigt worden, mit dem Resultat, dass bei der Platzvergabe viele Familien leer ausgingen und in Sachen Kinderbetreuung allein gelassen wurden. Unmut, Unverständnis sowie Existenzängste bis hin zum Jobverlust wurden für die eine oder andere Familie zum Alltag. Und das, obwohl seit dem Jahr 1996 das Recht auf einen bedarfsgerechten Betreuungsplatz gesetzlich verankert ist. Doch wenn es schichtweg keine Plätze gibt, ist es für die betroffenen Familien schwer, auf eben diesem Recht zu beharren. Der Klageweg ist teuer, umständlich und offensichtlich so gemacht, dass man das Recht kaum einklagen kann.
Dass man die Versäumnisse in der Planung nicht von jetzt auf gleich würde beheben können, wurde schnell klar. Und auch wenn man in der Verwaltung das Problem schließlich erkannt hatte und innerhalb der gegebenen Möglichkeiten mehr oder weniger bedarfsgerechte Plätze auf den Weg brachte, so belasteten mittlerweile seit Monaten Kosten für externe Betreuung und Notlösungen sowie der Verdienstausfall eines Elternteils viele Mühltaler Eltern. In dem intensiven Austausch mit betroffen Eltern wurden die persönlichen Schicksale der einzelnen Familien sehr deutlich: Die einen klagten erfolglos, die anderen bekamen zwar Recht, jedoch trotzdem keinen Kindergartenplatz. Und alle hatten eines gemeinsam: Die Kosten für die Klagen waren enorm.
In den Gesprächen entstanden jedoch auch gute und lösungsorientierte Diskussionen und bei einem Vorschlag aus der Elternschaft haben wir besonders aufgehorcht: und zwar der nach einer allgemeinen Entschädigung für die Nicht-Erfüllung des Rechtsanspruchs.
Wir haben uns bei der Diskussion daran erinnert, dass das Land Hessen seit 2018 an alle Kommunen einen Ausgleich für die kostenfreien ersten 6 Stunden im Kindergarten zahlt. Dieser Ausgleich wird abhängig von der Kinderanzahl in der Kommune gezahlt. Die Zahlung erfolgt also für Kinder mit und auch für Kinder ohne Kindergartenplatz.
Genau aus diesem Grund kann dieser nun 1:1 an jene Eltern weitergereicht werden, die keinen Platz für ihr Kind im Kindergarten bekommen haben. Wir haben einen entsprechenden Antrag in die Gemeindevertretung eingebracht. Dabei war uns wichtig, dass eine schriftliche Erklärung der Eltern ausreicht, dass sie in Mühltal wohnen und keinen Kindergartenplatz bekommen haben (auch nicht außerhalb von Mühltal), um den Zuschuss beantragen zu können.
Trotz der Auszahlung des Zuschusses steht es jeder Familie weiterhin frei, den Klageweg zu beschreiten, wenn ihnen kein Betreuungsplatz zur Verfügung steht.
Erfreulicherweise überzeugte der Antrag auch andere Fraktionen und wurde am Ende von allen Gemeindevertretern einstimmig mitgetragen. Eine Satzung mit entsprechendem Passus hat die Gemeindevertretung am 31.05.2022 verabschiedet. Anträge auf den Zuschuss können jetzt gestellt werden.
Das Modell des Zuschusses für die (unfreiwillig) selbst organisierte Kinderbetreuung kann auch von jeder anderen Kommune in Hessen übernommen werden. Statt von den viel gescholtenen Mühltaler Verhältnissen wird dann vielleicht vom Mühltaler Zuschussmodell gesprochen.
Timo Hassan und Karl-Hermann Breyer, SPD Mühltal